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Basegwamp-Expedition zum Piz Bernina

Relativ spät im Jahr planten wir einen Gipfelsturm auf den Piz Bernina (4049m) und die einen Überschreitung des Piz Palü (3901m). Aufgrund enormer Schneemassen wurde unsere Expedition jedoch abrupt gestoppt!

Memmingen am Samstag, den 09.10.2005 um 4.00 Uhr in der Früh: der Wecker läutet. Endlich. Endlich ist es soweit. Wir wollen los. Wir wollen zu einer Hochtour aufbrechen, die wir schon seit langer Zeit planen. Wir, das bedeutet in diesem Fall Martin, Sebastian und Ich, Bastian. Unser Ziel: die Gipfel des Piz Bernina und Piz Palü in der Nähe von St. Moritz.

Ich schalte also den Wecker aus und bin sofort auf den Beinen. Kurz ins Bad, rein in die Klamotten, dazwischen noch einen Tee gekocht und in die Thermoskanne gefüllt. Der Rucksack ist schon fertig gepackt im Auto genau wie der Kuchen, den es zum Frühstück auf der Fahrt geben soll. Also dann los, Martin und Sebastian abholen. Die beiden sehen noch etwas verschlafen aus, was ihnen aber angesichts der deutlich kürzeren Nacht (etwa 3 Std. Schlaf) nicht zu verdenken ist. Wir entscheiden uns noch kurz für das leichtere Zelt, packen das Essen der beiden zusammen und verstauen das restliche Gepäck im Auto und dann geht es los in Richtung St. Moritz. Etwa 200 m sind wir weit, da müssen wir auch schon wieder umdrehen. Die Tourenschuhe im Haus vergessen. Prinzipiell kein Problem wir sind ja noch nicht weit, blöderweise liegt der Haustürschlüssel auch im Haus und wir müssen klingeln. Um ca. 4.45 Uhr morgens. Sorry Frau Löhle, soll nicht wieder vor kommen. Und dann geht’s doch noch los Richtung St. Moritz.

Piz Bernina mit Bianco Grat

Ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir dann etwa um 8.20 Uhr die Talstation der Diavolezza-Bahn. Der Himmel ist wechselnd bewölkt, die Sonne kommt aber an vielen Stellen schon zum Vorschein. Da jedoch auch an der Talstation etwas Schnee liegt entschließen wir uns die Bahn zu nehmen um Zeit zu gewinnen. So überwinden wir die ersten knapp 1000 Hm in wenigen Minuten. Bei einem Preis von 14 € pro Person für eine Bergfahrt darf man das allerdings auch erwarten. Ein netter, fröhlicher Gondelbegleiter kostet wohl noch Aufpreis, jedenfalls würdigt uns der Mann keines Blickes und das obwohl wir die einzigen Passagiere in der 60 Personengondel sind. Oben angekommen beeilen wir uns los zu kommen. Einem älteren, interessierten Ehepaar aus Dresden müssen wir vor dem beeindruckenden Panorama, das sich mittlerweile vor uns aufbaut, noch kurz unsere Route erklären dann beginnen wir mit dem Abstieg über einen verschneiten Felshang in Richtung Gletscherzunge.

Zu diesem Zeitpunkt glaubten wir noch an unser Ziel: Piz Bernina!

Auf dem Weg zum Piz Palü...

An einigen Stellen liegt schon etwas mehr Schnee und eine alte Spur ist nur mit viel Mühe zu erkennen. Statt der angegebenen 15 min benötigen wir etwa 45 min bis zum Gletscherrand, doch noch sind wir guten Mutes, da von oben eine Spur im verschneiten Eis zu erkennen ist. Das Vorwärtskommen entpuppt sich dann aber als nicht so einfach und schnell verwerfen wir die Idee den Bernina-Gipfel vielleicht noch im Abendlicht erreichen zu können. Wir wollen es erst einmal zur Hütte Marco e Rosa schaffen. Auf dem Gletscher binden wir uns ins Seil ein und stapfen los. Die Spur ist mit Schnee aufgefüllt und sicher seit Tagen nicht mehr begangen worden. Bei jedem Schritt sinken wir bis weit über den Knöchel ein und wir kommen langsamer voran, als uns allen lieb ist. Nach einer Stunde biegt unsere Spur nach Osten ab und wir sehen, das sie nach einigen hundert Metern im Eis endet oder jedenfalls so stark verschneit ist, dass sie nicht mehr als Spur auszumachen ist. Wir sind also fortan auf uns alleine angewiesen und beratschlagen was zu tun ist. Wir entscheiden es doch in Richtung der Hütte zu versuchen. Schließlich haben wir ja auch noch das Zelt dabei und könnten somit jederzeit biwakieren. Doch nach wenigen Metern im jetzt schon etwa knietiefen Neuschnee müssen wir erkennen, dass es völlig aussichtslos ist die Hütte über die Route des Fortezza-Grates zu erreichen. Wir beratschlagen uns erneut und beschließen in den Gletscher einzusteigen, der direkt über uns von der Ostschulter des Piz Palü herab fällt. Vielleicht gelingt es uns bis zum Abend etwa 600-700 Hm zu erklimmen und nach einem Biwak den Gipfel des Palü am Sonntag in Lauf des Vormittags zu erreichen. Der Abstieg über unsere eigene Spur sollte kein größeres Problem darstellen.

Neu motiviert von dem Gedanken wenigstens einen unserer geplanten Gipfel zu erreichen, stapfen wir abwechselnd führend in Richtung der sehr steilen und stark zerklüfteten ersten Gletscherstufe, die etwa 250 Hm überwindet. Für den jeweiligen Seilersten erweist sich dieses Vorhaben allerdings als eine echten Qual. Schon im noch verhältnismäßig flachen Teil wird jeder Schritt zu einer echten Schinderei. Man sinkt ein bis über das Knie und sobald man das Bein richtig belastet geht es noch mal einige Zentimeter nach unten. Dann das hintere Bein ruckartig aus den Schneemassen ziehen und so weit vor dem anderen wie möglich platzieren. Wieder sinkt man ein. Doch dieses Mal nicht ganz so tief. Neue Hoffnung und Motivation keimen auf. Vielleicht ist der Schnee hier nicht ganz so tief oder besser komprimiert, sodass es ab jetzt leichter geht. Doch schon der nächste Schritt raubt einem diese Illusion und man versinkt in der haltlosen weißen Pracht, dieses Mal allerdings dafür bis zur Hüfte. Während dem Führenden der Schweiß auf der Stirn steht, kühlen die anderen beiden schon etwas aus. Für sie geht es zwar recht komfortabel in den Fußstapfen voran, dafür aber auch sehr langsam, da vorne auf Grund der enormen Anstrengung etwa alle zehn Schritte inne gehalten werden muss. Auch häufigere Ablösungen an der Spitze beschleunigen das Vorankommen kaum.

Wieder eine Pause. An einer spaltenfreien Stelle kommen wir zusammen und beraten sichtlich geknickt über das weitere Vorgehen. Eines ist mittlerweile allen klar: einen Gipfel zu erreichen ist unter diesen Umständen absolut ausgeschlossen. Auf der anderen Seite stehen wir in einer traumhaften Alpenkulisse und der stark aufgerissene Gletscher vor uns bietet faszinierende Einblicke. Da wir für ein Biwak im Schnee mit dem Zelt, unseren warmen Schlafsäcken, speziellen Isomatten und einem Kocher sowie reichlich Proviant bestens ausgerüstet sind, entscheiden wir uns den Weg durch den Gletscher fortzusetzen. Wir wollen einfach soweit wie möglich kommen, eventuell bis zum oberen Rand der Gletscherstufe. Dann biwakieren, den Sonnenaufgang genießen und gemütlich wieder absteigen. Dann zwar ohne Gipfelerfolg aber trotzdem mit jeder Menge Abendteuer im Gepäck. Wir bleiben unserer Taktik mit den schnellen Führungswechseln treu und kämpfen uns Meter um Meter voran. Immer wieder tun sich imposante Spalten vor uns auf, wir bahnen uns einen Weg im Zickzack durch sie hindurch. Wir machen einige Bilder bei mittlerweile sehr gutem Wetter und die Stimmung ist prima. Dafür bewegten wir uns durch eine sehr schöne Landschaft.

Dann erreichen wir eine Stelle, die uns ideal für ein Biwak erscheint. Einige Meter hinter einer Eiswand, oberhalb eines langen verschneiten Hangs befindet sich eine etwa 30 m² große fast eben Fläche. Der Blick von hier hinab in Richtung des Morteratsch-Gletschers ist beeindruckend und wir beschließen die Rucksäcke hier zurück zu lassen um später an dieser Stelle das Zelt aufzuschlagen. Da es aber erst 15.30 Uhr ist, wollen wir, nun ohne die schwere Last auf den Schultern, noch versuchen den oberen Rand der Gletscherstufe zu erreichen, um uns ein Bild des weiteren Weges zu machen und vielleicht noch mal eine Blick aus der Nähe auf den Gipfel des Piz Palü zu werfen. Zwar sinken wir nun etwas weniger tief ein, dafür nimmt die Steigung aber nochmals gewaltig zu und wir müssen uns in etwa 60° steilem Gelände bewegen. Auch in diesem Fall wird uns die Aussichtslosigkeit der Unternehmung schnell klar und wir sind zur Rückkehr zu unserem Materialdepot gezwungen. Wir drehen also um und erreichen nach wenigen Minuten unser Gepäck. Und haben uns dann wieder auf den Weg ein Stück zurück zu unserem Biwakplatz gemacht!

Dies wäre fast unser Biwakplatz geworden.

Als erstes treten wir eine Fläche breit, bauen unser Zelt auf und verstauen die Rucksäcke darin. Der Kocher wird aufgebaut und wir beginnen Schnee zu schmelzen um unsere Wasserflaschen aufzufüllen. Während dieser Zeit blicken wir immer wieder fragend zum Himmel. Es zieht mehr und mehr zu und auf einmal beginnt es, wenn auch nur leicht, zu schneien. Das haben wir so nicht auf der Rechnung. Der Wetterbericht geht von einem nahezu wolkenlosen Sonntag aus und jetzt das. Schnell werden wir uns auch unserer Situation bewusst. Sollte am nächsten Morgen unsere Spur wieder zugeschneit sein und möglicherweise die Sicht durch tief hängende Wolken beeinträchtigt sein, so wären wir unter Umständen zum Ausharren im Gletscher gezwungen, da ein Abstieg unter diesen Bedingungen durchaus Gefährlich wäre. Wir fassen in einer Blitzaktion einen einhelligen Beschluss. Dieser lautet: eben erwärmte Spaghetti aufessen, schnellstens zusammenpacken und den spaltenreichen Teil des Gletschers noch vor Einbruch der Dämmerung verlassen. Gesagt, getan. Wir packen in Eile die Rucksäcke, legen die Klettergurte an, binden uns ins Seil ein und schon geht es los. Tatsächlich benötigen wir nur etwa 30 Minuten um vollständig aus der Gefahrenzone zu gelangen, gerade rechtzeitig ehe es dunkel wird. Den folgenden flacheren und ungefährlicheren Teil können wir problemlos in der morgens angelegten Spur und im Schein unserer Stirnlampen zurück legen. Und auch der letzte Gegenanstieg zur Bergstation der Diavolezza-Bahn ist zwar anstrengend aber ohne Gefahren machbar.

Unser Nachtlager in der Diavolezza-Station

So erreichen wir schließlich gegen 21.30 Uhr die Seilbahn. Eigentlich wollen wir noch bis ins Tal absteigen und noch am selben Tag nach Hause fahren. Da wir jedoch keine Abstiegsspur erkennen können, den Weg selbst nicht kennen und noch dazu Sebastians Stirnlampe den Dienst verweigert, beschließen wir die Nacht hier oben zu verbringen. Wir nähern uns also der Diavolezza-Hütte und –Bergstation und stellen zu unserer Überraschung fest, dass die Tür der Bahnstation nicht verschlossen ist. Wir treten ein und finden einen angenehm beheizten Vorraum vor, in dem die Hüttenbesucher im Winter ihre Ski zurück lassen. Außerdem gibt es dort eine bewegbare Bank sowie Zugang zu den Toiletten. Dieses alles sind natürlich wohltuende Umstände für uns mittlerweile doch ziemlich strapazierte Alpinisten. Wir beschließen die Nacht hier zu verbringen, und breiten uns in unserem gemachten Nest aus. Zwar sind wir immer noch ein wenig enttäuscht, dass unsere vielen Erwartungen an diese Hochtour nicht erfüllt werden konnten, doch auf der anderen Seite hatten wir trotzdem einen super Tag und eine Nacht in geheizten Räumen ist sicher auch nicht das Schlechteste. Da das Wetter immer schlechter wurde und es auch noch zu schneien begann, beschlossen wir uns zur Liftstation zurückzuziehen!

Dieses Mal läutet der Wecker um 5.30 Uhr. Wir wollen die Bergstation auf jeden Fall verlassen haben bevor die ersten Mitarbeiter eintreffen und außerdem hoffen wir noch auf ein paar schöne Bilder bei aufgehender Sonne. Doch leider können wir nur vereinzelte Aufnahmen machen, da die Gipfel die meiste Zeit in Wolken verhangen sind. So beschließen wir dann gegen 6.45 Uhr aufzubrechen.

Mit der Dämmerung werfen wir nochmal einen Blick zum Piz Palü, fest entschlossen nächstes Jahr wieder da zu sein!!!

Die erste Überraschung gibt es schon nach wenigen Metern. Es existiert doch eine Spur vom Vortag. Dieser folgen wir zunächst in Richtung des Hanges auf dem sich während der Saison die Skipiste befindet. Dort macht das Absteigen richtig Laune. Mit großen Schritten springen wir durch den traumhaften Pulverschnee in Richtung Tal.

Später folgen wir wieder der Spur und so erreichen wir gegen 9.00 Uhr unser Auto.

berninaDas Equipment wird verstaut und ein bisschen wehmütig blicken wir noch einmal nach oben, wo der Gipfel des Piz Palü vor strahlend blauem Himmel thront. Und trotzdem sind wir uns sicher, mit der abendlichen Umkehr die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und was die Tour angeht: Piz Bernina und Piz Palü warten sicher schon auf uns. Und wir werden sie nicht lange warten lassen. Das haben wir uns auf jeden Fall vorgenommen.

We will be back!!!

Im August 2009 hat es dann mit unserer Rückkehr zu Piz Bernina und Piz Palü geklappt!

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Datum:
08.10.2005 bis 09.10.2005

Location:
Engadin, Schweiz

Gipfel:
Piz Bernina (4049m) , Piz Palü (3900m)

Gebirgsgruppe:
Berninagruppe

Land:
Schweiz

Kategorien:
Bergtouren , Hochtouren

Tags:
Klassiker , Hochtour

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